Der wahre Grund für die Finanzkrise - Der Schein trügt
Die Staatsschuldenkrise im Euroraum (auch Euro-Krise genannt) ist eine Finanzkrise, die es einigen Ländern der Eurozone schwierig bis unmöglich macht, die Staatsschulden ohne Hilfe von Dritten zu refinanzieren. Als einer der ersten Staaten wirkte sich die Krise auf Griechenland aus. Die 2009 gewählte neue Regierung korrigierte den von der vorherigen Regierung verschleierten Schuldenstand nach oben und bat die EU um Hilfe.
Die Schuldenkrise resultierte aus einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren, deren jeweilige Gewichtung umstritten ist. Insbesondere im Fall Griechenlands steht die Entwicklung der Staatsschulden im Vorfeld der Krise im Zentrum. Zum Teil werden weniger die Staatsschulden für sich als vielmehr die makroökonomischen Ungleichgewichte im Euroraum als eigentlich ausschlaggebend für die Refinanzierungsprobleme gesehen. Weiterhin haben institutionelle Eigenschaften der Eurozone sowie die Folgen der Finanzkrise ab 2007 zu der Schuldenkrise beigetragen.
Kapitalismus | = keine Vernunft |
Planwirtschaft | = kein Wohlstand |
Soziale Marktwirtschaft | = Vernunft und Wohlstand |
Mit der 2010 eingerichteten Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und dem 2011 als deren Nachfolger verabschiedeten Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) wurden mehrere, politisch umstrittene, Rettungsschirme verabschiedet. Die Europäische Zentralbank intervenierte durch Monetarisierung von Staats- und Privatschulden und gab damit an die Krisenstaaten sowie deren Wirtschaft und Banken weitere Kredite und Liquidität.[3] Als Maßnahmen gegen die Krisenursachen wurden bisher beispielsweise der Europäische Fiskalpakt und die Reform der europäischen Finanzaufsicht verabschiedet.
In allen betroffenen Staaten kam es 2011 zu Regierungswechseln. In Irland, Zypern, Portugal, Spanien und Slowenien geschah dies nach vorgezogenen Neuwahlen, während in Griechenland und Italien Übergangsregierungen von parteilosen Wirtschaftsexperten gebildet wurden.An der Bezeichnung Staatsschuldenkrise wird u. a. von Peter Bofinger kritisiert, dass sie verschleiere, dass „wir eigentlich eine Krise der Finanzwirtschaft und der Banken haben, weil diese sich in Spekulationen statt in solider Kreditfinanzierung verausgabt haben", was zur Finanzkrise ab 2007 geführt habe. Ähnlich argumentieren die économistes atterrés (Empörte Ökonomen), ein Zusammenschluss von über 25 französischen Ökonomen, in ihrem Manifest, der Wissenschaftliche Beirat von Attac, Thomas Fricke, Albrecht Müller, James K. Galbraith und Walter Wittmann. Die Bezeichnung Staatsschuldenkrise führe dazu, dass die Lösungsversuche durch einen einseitigen Blickwinkel auf die Fiskalkriterien dominiert seien. Dabei werde übersehen, dass bei den finanzschwachen Ländern -- mit Ausnahme von Griechenland -- eine unsolide Haushaltspolitik nicht feststellbar sei. Die eigentliche Ursache für den Anstieg der Staatsverschuldung sei die Finanzkrise ab 2007 gewesen. Einer Korrektur der Fehlentwicklungen, die zur Finanzkrise geführt haben, werde zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Im Zuge der Diskussion des Fiskalpaktes kritisierten über 120 Ökonomen in einem öffentlichen Aufruf den Ausdruck Staatsschuldenkrise als irreführend und erklärten, dass bisher kein Land die Krise durch Austeritätspolitik überwunden habe.
In der Bogenberger Erklärung sprechen Ökonomen wie etwa Hans-Werner Sinn von „Euro-Krise", weil sie die Gemeinschaftswährung als eigentliche Ursache der Krise ansehen. Mit Einführung des Euro wurden irische, spanische, italienische, portugiesische und griechische Anleihen plötzlich als so sicher angesehen wie deutsche Anleihen. Die dadurch begünstigten Länder kamen billiger an Geld, was in Irland, Spanien und Griechenland zu einem vor allem im Immobilienbereich von Spekulationsblasen getriebenen Wirtschaftsboom führte. Dies wiederum führte zu weit überdurchschnittlich starken Lohnerhöhungen, welche die Wettbewerbsfähigkeit der Krisenländer verringerte. Da diese keine eigene Währung hatten, konnten sie die Überhitzung der Wirtschaft nicht stoppen. Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman erklärt: „Europas große Täuschung besteht in dem Glauben, dass die Krise durch unverantwortliche Haushaltsführung zustande kam. Sie könnten jetzt einwenden, dass das auf Griechenland doch wirklich zutrifft. Das stimmt zwar, aber selbst die griechische Geschichte ist komplizierter. Irland hatte dagegen vor der Krise einen Haushaltsüberschuss und eine niedrige Staatsverschuldung. Auch Spanien hatte einen Haushaltsüberschuss und wenig Schulden ... Der Euro selbst hat die Krise ausgelöst."Die reduzierte Wettbewerbsfähigkeit und die damit einhergehenden nachhaltigen Leistungsbilanzdefizite der Krisenstaaten sind nach allgemeiner Auffassung eine wesentliche Ursache ihrer Schuldenkrisen. Der damalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, sprach deswegen von einer „Leistungsbilanzkrise" und „Zahlungsbilanzkrise", da die Krise der Staatshaushalte nur die Spitze des Eisbergs sei, das eigentliche Problem aber die unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit verschiedener Länder bei einheitlicher Währung im ganzen Euroraum. Auch Heiner Flassbeck, der damalige Chefvolkswirt der UNCTAD, sah die Leistungsbilanzunterschiede als wesentlichen Grund für die Eurokrise. Die unterschiedlichen Euroländer würden das gemeinsame Inflationsziel von 2 % verfehlen. Vor allem aufgrund der Lohnzurückhaltung bleibt Deutschland mit 1 % darunter, während Griechenland und andere Länder mit 3 % darüber liegen.
Die konventionelle volkswirtschaftliche Erklärung für die Ursachen der Staatsschuldenkrise im Euroraum ist zweiseitig. Auf wirtschaftlicher Ebene wird die Eurokrise als Währungskrise der ersten Generation verstanden. Demnach habe in einigen EU-Ländern eine vermehrte staatliche bzw. private Kreditaufnahme zu relativ höherer Inflation als in anderen EU-Ländern geführt. Der Ausgleich der unterschiedlichen Preisentwicklungen durch die natürliche Wechselkurskorrektur war aufgrund der Euro-Währungsunion nicht möglich, was bei einigen Euro-Ländern anhaltend hohe Leistungsbilanzdefizite und bei anderen anhaltend hohe Leistungsbilanzüberschüsse verursachte (makroökonomische Ungleichgewichte). Auf politischer Ebene führte die Euro-Währungsunion dazu, dass einzelstaatliche Geldpolitik nicht möglich ist. Als schnelle Reaktion auf Wirtschaftskrisen bliebe im Wesentlichen nur Fiskalpolitik, was den Staatshaushalt stärker belastet als Geldpolitik. Als weitere Ursache wird genannt, dass durch Wegfall der Wechselkursunsicherheit aufgrund der Euro-Währungsunion die Zinsen in Euro-Ländern mit traditionell höherer Inflation stark sanken, dies verursachte ein überoptimistisches Kreditaufnahme- und Investitionsverhalten. Auch begünstigt durch mangelhafte Banken- und Kapitalmarktregulierung sei es dadurch zu Wirtschaftsblasen gekommen, deren Platzen Bankenrettungen und Konjunkturprogramme auslösten. Als weiterer Faktor wird auch die Finanzkrise ab 2007 mit ihren direkten Kosten sowie den durch sie hervorgerufenen Verwerfungen genannt. Im Fall von Griechenland wird in Literatur wie medialer Rezeption die Entwicklungder Staatsverschuldung im Vorfeld der Krise ins Zentrum gerückt. Aufgrund der strukturellen Problemlagen innerhalb der Eurozone, die unter anderem in den der Krise vorausgehenden erheblichen Leistungsbilanzungleichgewichten innerhalb der Eurozone zum Ausdruck kamen, wird für die Krise im Euroraum zum Teil auch die Bezeichnung „Leistungs-" oder „Zahlungsbilanzkrise" verwendet, womit hervorgehoben werden soll, dass weniger die Staatsschuld für sich als vielmehr die makroökonomischen Ungleichgewichte den eigentlichen Ausschlag für die Refinanzierungsprobleme einiger Euro-Staaten gegeben haben.